Borås ist eine Kleinstadt mit knapp 108.000 Einwohnern, und liegt idyllisch in Südschweden, ca. 90 Minuten weit weg von Göteborg im Landesinneren.
Im LIS-Bereich ist der Name v.a. auch wegen der Swedish School of Library and Information Science (SSLIS) bekannt, die Teil der dortigen Universität ist – leider habe ich es bei meinem kurzen Aufenthalt nicht geschafft, die Fakultät zu besuchen…
Die Stadtbibliothek arbeitet viel mit den KollegInnen dort zusammen, auch um Experimente und Ideen zu verstetigen, wie Åsa Hedberg Karlsson, Bibliotekschefin der Borås Stadtbibliothek, im Gespräch sagt – darauf hinweisend, dass diese Möglichkeiten noch bei weitem nicht ausgeschöpft seien:
Our decisions have to have valid reasons – we used to do copying and things our users wanted – it’s ok to start with experiments but we need to build our projects on deeper results – we do that too little, to use research.
Die Bibliothek selbst ist in einem Kulturzentrum untergebracht – und die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten ermöglicht ein vielschichtiges Veranstaltungsspektrum.
Die Glasfassade ist zentrales Element und macht die Bibliothek hell und freundlich, auch wenn immer noch Regale und Medien die Institution sehr dominieren.
Beim Einbau der Sortieranlage und der Rückgabe musste improvisiert werden, baulich war das nicht vorgesehen und so wurde eine wie ich finde ungewöhnliche Lösung gefunden: der große Sorter wurde einfach mitten in die Bibliothek gestellt, ganz ohne Trennwand und zugänglich für Kunden und Mitarbeiter.
Das Ganze ist bei weitem nicht so laut und störend wie erwartet – es wird von der Belegschaft als recht praktisch empfunden und die Kunden (insbesondere die Kinder) finden es super spannend, live die Rückgabeprozesse verfolgen zu können:
Auch Boras legt einen Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit, und hier hat sich die Stadtbibliothek etwas besonderes einfallen lassen:
Angelehnt an das Bilderbuch ‚Knacka på‘ der Autorin Anna-Clara Tidholm hat man in den Kellerräumen der Bibliothek, unterstützt von KinderpädagogInnen, eine Art Erlebniswelt eingerichtet, in dem v.a. Kindergarten- und Grundschulgruppen frei nach verschiedenen Motti die Räume – die alle unterschiedliche Schwerpunkte haben – erkunden: Es gibt entsprechend viele Räume wie Doppelseiten in dem Bilderbuch – und Elemente aus dem Buch finden sich entsprechend wieder.
Ein spannendes Projekt – mehr dazu findet sich auf schwedisch unter http://www.framsidan.net/2014/04/knacka-pa-i-boras/ und unter http://sverigesradio.se/sida/artikel.aspx?programid=95&artikel=5835742 sowie auf der Website der Bibliothek – und 2017 hoffentlich auch (das ist mein Ziel) etwas in BUB dazu.
Die Idee, aus nicht genutzten Kellerräumen ein kinderpädagogisches Vorzeigeprojekt zu kreieren, dabei einen schwedischen Bilderbuchklassiker innovativ einzubinden (und die Unterstützung der Autorin zu gewinnen!) fasziniert mich immer noch sehr – genau wie das Konzept dahinter: Die Kinder werden bewusst nicht ‚bespielt‘, sondern sollen sich frei entfalten…
Der Besuch in Boras hat sich mir sehr stark eingeprägt – und daran ’schuld‘ ist v.a. auch Åsa Hedberg Karlsson, die Leiterin der Stadtbibliothek, die mich mit viel Humor und einer großen Begeisterung in ihrer Bibliothek empfangen hat.
Die sich wandelnden Funktion der Öffentlichen Bibliothek sieht Åsa ebenso positiv wie die Integration ‚ihrer‘ Bibliothek in das Kulturzentrum – und entsprechend fallen auch ihre Statements aus:
We are supposed to work with the fast changes in the digital society, it’s about satisfying the customer’s individual needs, about reducing the digital gap – like being a drop-in supporting single subjects. So we turn nowadays more into a civil office.
Individuelle Unterstützung und eine Agieren als ‚Bürgerzentrum‘, das wird, so Åsa, der Schwerpunkt der Bibliotheksarbeit in den nächsten Jahren sein – und Bürgerzentrum zu sein bedeutete auch, verstärkt mit den Bewohnern auch kritisch und fordernd zu interagieren:
In earlier times we as a library wanted to be nice and were afraid of conflict. Now that we are based in a cultural centre, we are much better at being an arena of debate. We want our visitors to interact with us, we want to be their everyday stage!
Damit greift sie quasi ein Denkmal auf, das sich fussläufig wohl keine 200 Meter von der Bibliothek entfernt findet – und das an einen lokal berühmten Volksredner aus den 20Jahren des letzten Jahrhunderts (wenn ich mich richtig entsinne) erinnert:
Bei so viel Input und Inspiration hab ich dann keine Lust mehr gehabt auf einen Besuch im